TETENBÜLL-DORF - DENKMALSCHUTZ
Angesichts des widerrechtlichen Abrisses eines historisch wertvollen, bausubstanzmäßig völlig einwandfreien, aber (noch) nicht denkmal-geschützten Reetdachhauses aus dem 17. Jh. in List auf Sylt Anfang des Jahres 2023 bekommt der nachfolgende Artikel eine noch größere Bedeutung. Es ist dabei unerheblich, ob ein solches Gebäude wie in List unter Denkmalschutz steht oder nicht, sondern dass sich Immobilienkäufer ihrer Verantwortung bewusst sind. In der Gemeinde Tetenbüll stehen viele historisch wertvolle Gebäude - nicht nur reetgedeckte, die nicht alle unter Denkmalschutz stehen, aber den Charakter der Landschaft Eiderstedt und unserer Gemeinde mitprägen. Ein Abriss solcher Gebäude oder eine nicht historisch sachgemäße Restaurierung kommt der Zerstörung einer über Jahrhunderte gewachsenen Kulturlandschaft gleich.
Autor Michael Weineck ist Tetenbüller, kommt aber ursprünglich aus Hamburg bzw. Kaltenkirchen. Er hat 2002 mit seiner Ehefrau eine historisch wertvolle Reetdachkate im Dorfkern gekauft und beschreibt hier, worum es ihnen von Anfang an ging. Michael Weineck ist Mitglied der IGB - (Interessengemeinschaft) IG Baupflege Nordfriesland und Dithmarschen e.V. Näheres finden Sie auf der IGB-Homepage.
In der letzten Ausgabe „Der Maueranker“ (Anm.: 2020) las ich traurige Verweise auf baulichen Frevel an historisch wertvollen Gebäuden. Dann denke ich an unsere kleine Reetdachkate in der Dörpstraat in Tetenbüll, die ein neues Reetdach und nach fast 150 Jahren erstmals rundum eine Drainage erhalten hat, um das Fundament trocken zu halten. Warum macht man das eigentlich? Weite Teile der Tetenbüller Dorfmitte inkl. unserer Reetdachkate stehen seit Februar 2020 unter Denkmalschutz – ein guter Zeitpunkt, einen Beitrag für den dauerhaften Erhalt von Kulturdenkmälern zu leisten.
Eines vorab: Ich bin weder Historiker, noch Bauexperte, noch Fachmann auf dem Gebiet denkmalgeschützter Gebäude. Meine Frau und ich sind nur verliebt in unsere Reetdachkate und die dahinter liegende, alte Schlosserei. Warum? Und was hat das mit Denkmalschutz zu tun? Das möchte ich erläutern. Beginnen wir erst einmal in der jüngsten Vergangenheit.
Mitte Februar 2020 erhielten viele Gebäudeeigentümer im historischen Tetenbüller Dorfkern ein Schreiben des Landesamtes für Denkmalpflege in Kiel, so auch wir. Darin teilte man uns mit, dass das „Wohnhaus, Dörpstraat 20 in 25882 Tetenbüll als Teil der Sachgesamtheit: Ortskern Tetenbüll“ in die Liste der Kulturdenkmale aufgenommen wurde. Unsere Reetdachkate ist jetzt also ein geschütztes Kulturdenkmal im Sinne des Denkmalschutzgesetzes für Schleswig-Holstein. Der Denkmalschutz erstreckt sich dabei auf „das gesamte Äußere des Wohnhauses mit Vorgarten und Hausbäumen“. Es folgt eine recht ausführliche Belehrung zum Thema Denkmalschutz und Denkmalwert, die hier nur in Auszügen wiedergegeben wird:
Foto: Ingrid Schmidt - Tetenbüll-Dorfkern
„Kulturdenkmale dokumentieren historische Ereignisse und Entwicklungen, künstlerische Leistungen, technische Errungenschaften und soziale Lebenswirklichkeiten. Als materielle Zeugen menschlichen Wirkens sind Denkmale heute ein wichtiger Teil unserer Kultur. Aufgabe des Denkmalschutzes ist es, im Interesse der Öffentlichkeit der Tradition und der Erinnerung zu dienen…“.
Und eines wird damit auch klar: Wer ein historisches Gebäude erwirbt, übernimmt gleichzeitig eine Verantwortung zum Erhalt dieser Immobilie. Na ja, so klar scheint das offensichtlich vielen Hauserwerbern nicht zu sein, sonst würden sie nicht solch baulichen Frevel betreiben wie eingangs erwähnt. Dabei ist es m.E. völlig unerheblich, ob ein solches Gebäude unter Denkmalschutz steht oder nicht. Und es hat auch nur bedingt damit zu tun, was der eigene Geldbeutel hergibt. Der Frevel war ja sicherlich auch nicht ganz billig.
In den Erläuterungen des Landesamtes für Denkmalpflege wird auch der Denkmalwert des Ortskerns Tetenbülls beschrieben: „Geschlossen überlieferter, intakter Siedlungskern des 18.-20. Jahrhunderts, der insbesondere durch die historische Bebauung des 19. Jahrhunderts geprägt wird und in seiner historischen topographischen Struktur hervorragend überliefert ist. Eines der letzten anschaulichen Beispiele historischer Dorfkerne in Nordfriesland. Daher von geschichtlichem, städtebaulichem und kulturlandschaftsprägendem Wert.“ Der Schutzumfang erstreckt sich nahezu auf den gesamten Dorfkern rund um unsere Bilderbuchkirche St. Anna inkl. des Kopfsteinpflasters in der Bradenstraat, der Dörpstraat und der Karkenstraat.
Karte: Landesamt für Denkmalpflege - Denkmalschutzbereich Tetenbüll-Dorf
Zurück zu unserer Reetdachkate. Viele Jahre hat unsere Familie in einem Haubarg in Tating Urlaub gemacht – zu allen Jahreszeiten. Eiderstedt war und ist zu jeder Jahreszeit einfach wunderschön, lebens- und liebenswert. Hier wollten wir später einmal permanent leben. Natürlich haben wir in der Landschaft viele Ausflüge unternommen, u.a. auch nach Tetenbüll, nicht nur wegen St. Anna und dem Kaufmannsladen und Museum Haus Peters, sondern weil Tetenbüll ein stimmiges, schönes Gesamtbild abgibt, für einst Großstädter aus Hamburg wie uns einfach ein Idyll. Das bestätigen uns viele Touristen, denen wir zwangsläufig häufig begegnen, wenn sie unsere Reetdachkate fotografieren. Wenn so viele Menschen ein solches Objekt fotografieren, dann spricht wahrscheinlich eine ganze Menge dafür, dass diese Menschen eine gewisse Sehnsucht nach einem solchen Idyll verspüren, das sie für sich festhalten und auch für die Zukunft bewahrt sehen möchten. Und insofern ist es nur schlüssig, dass die Sachgemeinschaft Tetenbüll-Dorfmitte nun unter Denkmalschutz gestellt wurde.
Bei einem unserer damaligen Eiderstedt-Ausflüge entdeckten wir die Reetdachkate in der Dörpstraat in Tetenbüll – für uns ein Traum, eine Liebe auf den ersten Blick, gerade zu verkaufen, wenngleich unerreichbar, denn Tetenbüll konnte zum damaligen Zeitpunkt nicht unser Lebensmittelpunkt sein. Und ein solches Haus muss ganzjährig bewohnt, die Bewohner müssen Teil der Dorfgemeinschaft sein. Und das konnten wir Ende der 90er-Jahre nicht gewährleisten. Aber das Schicksal meinte es gut mit uns und „unserer“ Reetdachkate.
2001 schlugen unerwartet Blitz und Donner in meinem Berufsleben ein, denn mein Hamburger Arbeitgeber fusionierte mit einem Großunternehmen im Ruhrgebiet. Unser Wohnsitz in Kaltenkirchen im nördlichen Hamburger Speckgürtel war für mich fortan nur noch Wochenenddomizil. Pendeln nach Bochum bzw. Gelsenkirchen war angesagt. 2001 sollte der letzte Urlaub im Haubarg Blumenhof in Tating sein, denn im Frühjahr 2002 stand die Reetdachkate erneut zum Verkauf. Und diesmal passte alles zusammen, denn schließlich ist es egal, ob man von Kaltenkirchen oder Tetenbüll aus ins Ruhrgebiet pendelt. Vor dem Kauf haben wir aber vorsichtshalber nachgefragt, ob denn Reetdachkate und / oder Schlosserei unter Denkmalschutz stünden. Erstaunlicherweise fiel seinerzeit die Antwort negativ aus.
Für uns stand immer außer Frage, dieses Kleinod Reetdachkate in seiner ursprünglichen Form zu erhalten und wenn möglich zu verbessern. So haben wir über Jahre hinweg viele Restaurierungen vorgenommen, die dem Erhalt und der Verbesserung der Substanz des Gebäudes dienten: Boden- und Fundamentsanierung im Gebäudeinneren, Gaszentral- statt Nachtspeicherheizung, Erneuerung der Fensterscheiben bei gleichzeitiger Erhaltung der alten, dekorativen Holzfenster, Ausbesserungen im teils ausgewaschenen Mauerwerk u.v.m.
Besonderes Augenmerk galt natürlich auch der alten Schlosserei, die damals noch ein armseliges Dasein fristete und keinem Zweck mehr diente. Na ja, das stimmt nicht ganz, denn sie bot immerhin einer Eule noch sicheres Quartier. In der Grundsubstanz aber war die Werkstatt von Schlosser Peters völlig in Ordnung, wenngleich sie ziemlich mitgenommen aussah. Deshalb haben wir sie mit örtlichen Handwerkern Stück für Stück, Seite um Seite von außen nach innen saniert, das Ständerwerk und die tragenden Balken gesichert, teilweise erneuert bzw. ergänzt, die Außen- und Innenwände versteift, isoliert und außen mit Holz verkleidet und so zusätzlichen Nutzraum geschaffen. Dies hat mir letztendlich auch ermöglicht, meinen beruflichen Mittelpunkt ab 2004 von Kaltenkirchen bzw. dem Ruhrgebiet nach Tetenbüll zu verlegen – homebased arbeiten, und das schon im Jahre 2005! Aber auf den Breitbandanschluss warten wir nach wie vor. Der größte Teil des Ständerwerks und der Balken im Inneren der Alten Schlosserei sind weiterhin sichtbar.
Fotos: Michael Weineck, Tetenbüll
Alte Schlosserei 2002 vor und 2006 nach der Restaurierung
Fotos: Michael Weineck, Tetenbüll
Reetdachkate 2019 nach neuer Eindeckung und mit neuem Eingangsbereich inkl. rundumlaufender Drainage mit Katzenköpfen
Über Jahre hinweg wurde das Reetdach gepflegt und wo nötig in Teilen erneuert. Aber irgendwann ist ein Reetdach einfach grundsanierungsbedürftig, nur die Ostseite war noch gut in Schuss. Auch der marode, völlig durchfeuchtete Schornstein musste dringend erneuert werden, drohte er doch bei einem Sturm irgendwann zusammenzufallen. Und da meine Frau und ich ins Pensionsalter gekommen sind, stand die Frage an: Was machen wir jetzt? Zurück zum Frevel an historisch wertvollen Gebäuden: Ein wesentlich preiswerteres Hartdach kam für uns überhaupt nicht in Frage, denn das hätte unsere Liebe zu diesem Haus komplett zerstört und das Dorfbild nachteilig verändert. Viele Freunde, u.a. Hans-Georg Hostrup (Anm.: Vorsitzender der IGB), aber auch Reetdachdecker Hauke Wolf, Oldenswort (Anm.: ehemals Tetenbüll), haben uns im Vorfeld sehr gut beraten. Wir haben die Reetdachkate komplett neu eindecken lassen.
Und nicht nur das: Wir haben die neuesten baulichen und energetischen Bestimmungen umgesetzt und weitere Verbesserungen realisiert, um dieses Kleinod auch für künftige Generationen zu erhalten. Auch der Schornstein wurde vollständig neu gemauert. Gleichzeitig haben wir uns entschieden, dann auch Nägel mit Köpfen zu machen und der Reetdachkate erstmals in seiner Historie rundum eine Drainage zu verpassen und die Zugangswege und das Drumherum historisch angepasst zu gestalten, z.B. mit Katzenköpfen über der umlaufenden Drainage. Die Beratung und Durchführung aller Maßnahmen erfolgte durch Thorsten Jungnickel, Poppenbüll. Sein Team hat während der Arbeiten viele weitere gute Ideen eingebracht, z.B. wurde die Zuwegung an der Hausfront mit urigem, dunklem Klinker gepflastert, in Anlehnung an den Weg zum Schweizer Haus in Tating.
Seit Mitte Februar 2020 steht unsere Reetdachkate also unter Denkmalschutz. Meine Frau und mich freut das sehr, denn es bestätigt den ursprünglichen Grund unserer Liebe zu ihr und zur Alten Schlosserei, zu unserem Dorf und zur Gemeinde Tetenbüll schlechthin. Wo sonst gibt es in Nordfriesland oder Schleswig-Holstein auf nur ca. 6 Hektar so viel Schönes und historisch Wertvolles zu entdecken? Kopfsteingepflasterte Straßen, unsere stolze Kirche St. Anna, das Alte Pastorat, das Haus Peters, die alten ehemaligen Schulen und viele weitere Gebäude im Dorfkern mit historischer Relevanz. Kein Wunder also, dass ab und an das Fernsehen dieses Ambiente in Krimis und Dokumentationen einbezieht. Und ebenfalls kein Wunder, dass Touristen unser Bilderbuchdorf Tetenbüll lieben.
Warum schreibe ich das eigentlich alles? Liebe Eigentümer historischer Gebäude: Mit dem Erwerb haben Sie sich einen Traum erfüllt, vielleicht sogar aus Liebe zu gerade diesem Objekt. Ihr Traum muss auch beinhalten, diesen für zukünftige Generationen zu bewahren. Wir sind es uns selbst und der Nachwelt schuldig, sonst macht der Erwerb einer solchen Immobilie nicht wirklich Sinn.
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Nachtrag Winter 2023: Der widerrechtliche Abriss des alten Dorfkrugs in List auf Sylt hat meine Frau und mich tief getroffen. Wir sind sehr traurig darüber, dass solche historisch wertvollen Gebäude der reinen Geldgier zum Opfer fallen können. In der Maueranker-Frühjahrsausgabe 2023 wird folgender Leserbrief erscheinen:
Es muss endlich Schluss sein!
Michael Weineck, Tetenbüll
Angesichts des widerrechtlichen Abrisses eines historisch wertvollen, bausubstanzmäßig völlig einwandfreien, aber (noch) nicht denkmalgeschützten Reetdachhauses aus dem 17. Jh. in List auf Sylt Anfang des Jahres 2023 bekommt mein Maueranker-Artikel vom Herbst 2020 eine weitere, viel größere Bedeutung. Es ist dabei völlig unerheblich, ob ein solches Gebäude wie in List unter Denkmalschutz steht oder nicht, sondern dass sich Immobilienkäufer ihrer Verantwortung bewusst sind. In der Gemeinde Tetenbüll stehen viele historisch wertvolle Gebäude – nicht nur reetgedeckte, die nicht alle unter Denkmalschutz stehen, aber den Charakter der Landschaft Eiderstedt und
unseres Dorfes mitprägen. Ein Abriss solcher Gebäude oder eine nicht historisch sachgemäße Restaurierung kommt der Zerstörung einer über Jahrhunderte gewachsenen Kulturlandschaft gleich.
Der widerrechtliche Abriss des alten Dorfkrugs in List auf Sylt hat meine Frau und mich tief getroffen. Wir sind sehr traurig darüber, dass solche historisch wertvollen Gebäude der reinen Geldgier zum Opfer fallen können. Es muss endlich Schluss sein mit solchem Frevel. Wenn es nach uns ginge, dann sollte dem neuen Eigentümer auferlegt werden, das historische Gebäude originalgetreu wiederaufzubauen!
Ich bin Tetenbüller, komme aber ursprünglich aus Hamburg bzw. Kaltenkirchen. Ich habe 2002 mit meiner Frau eine historisch wertvolle Reetdachkate im Dorfkern Tetenbülls gekauft. Meinen damaligen Maueranker-Beitrag habe ich auf der neugestalteten Tetenbüll-Homepage veröffentlicht. Sie können ihn dort noch einmal nachlesen (siehe oben).
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Ein interessanter Artikel mit dem Titel "Ensembleschutz für den Ortskern von Tetenbüll" (PDF-Download) ist in der Zeitschrift DenkMal - Zeitschrift für Denkmalpflege in Schleswig-Holstein, Ausgabe 27/2020, Seiten 134+135, Boyens-Verlag, erschienen - Autorin: Katharina Priewe, MA, vom Landesamt für Denkmalpflege, Kiel, Ressort Historische Bauforschung und technische Industriedenkmale / Erfassung, Erforschung und Bewertung von Kulturdenkmalen der Technik, Industrie und Agrarwirtschaft.